SaveYourInternet Demo Hamburg am 23. März 2019

Gesellschaftliches

„Filter nur für unseren Kaffee!“, „Kein Meme ist illegal.“, „Dieser Bot geht wählen.“

am 23. März hat die Netzgemeinschaft unter dem Motto „SaveYourInternet“ europaweit zu Demonstrationen gegen die geplante Urheberrechtsreform der EU aufgerufen.

Wir waren in Hamburg dabei.
Und mit uns viele andere Menschen, die vor allem eines waren: Sehr kreativ bei der Gestaltung ihrer Schilder! Ein bunter Mix aus Neuschöpfungen, Wortspielen und Samples. Es gab Fotos von Politikern und bekannte Memes.

Um bei der Dokumentation unseres Zeitgeschehens zu helfen, schreibe ich anlässlich der Demos meine Sicht auf das Thema und die meiner Meinung nach wichtigsten Kritikpunkte an der Reform auf

Die Reform soll erst einmal das Urheberrecht im Internet besser schützen. Das finde ich super!

Knackpunkt 1, Leistungsschutzrecht: Jeder, der urheberrechtlich geschütztes Material im Netz verwertet, müsste zukünftig einen Vertrag mit jedem (!) Urheber schließen. Das gilt dann z.B. für Linkvorschauen. Oder, wenn ich in diesem Blog einfach nur ein Bild von einer anderen Website einbinde, wie in meinem ersten Beitrag zur Wurmkiste.
Knackpunkt 2, Plattformen in der Haftung: In Zukunft sollen nicht mehr diejenigen für Urheberrechtsverletzungen haftbar sein, die ein Plagiat im Netz hochladen, sondern die Plattform, auf der das jeweilige Stück hochgeladen wurde.
Außer: Die Plattform ergreift alle ihr möglichen Mittel, um das Hochladen solcher Werke zu verhindern.

Was hat das jetzt mit „Uploadfiltern“ zu tun?

Im Moment gilt das Prinzip „notice and take down“, also: Rechtsverletzung bei bereits hochgeladenem Inhalt erkennen und ihn dann löschen.
Um sich zukünftig nicht haftbar zu machen, müssen die Plattformen alle Inhalte prüfen, bevor sie für andere Nutzer sichtbar sind.
Das heißt, dass die Plattform, wie z.B. YouTube, alle Inhalte scannen muss. Dann muss sie herausfinden, wer der eigentliche Urheber ist. Danach muss sie alle gleichen oder ähnlichen Inhalte überprüfen. Inhalte, die dem als Original erkannten Inhalt zu ähnlich sind, werden nicht zum Upload zugelassen.
Das geht technisch zum Beispiel, indem die Plattform eine Datenbank anlegt, wo alle Originalinhalte erfasst sind. Gegen diese Datenbank werden neue Uploads gecheckt oder der Datenbank hinzugefügt. Solche Datenbanken gibt es zur Zeit nicht.

Kreative Beschilderung ohne Urheberrechtsverletzung (oder doch?)

Warum ist das problematisch?

Für eine Software dürfte es sehr schwierig sein einen Originalbeitrag und Satire auseinander zu halten. Auch Samples dürften in Zukunft nicht mehr durch den oben beschriebenen Check durchkommen. Denn hier werden Inhalte anderer Urheber genutzt, um damit etwas Neues zu schaffen. Oder, um Aufklärung und Bildung zu betreiben.

Kleinere Plattformen, einfache Foren in etwa, können diesen Aufwand weder kapazitär, noch ökonomisch leisten*.

Ein Thema, das uns alle direkt betrifft.

Und jeder kann etwas gegen Populismus und schlecht gebildete Politiker unternehmen.

Die CDU/CSU ist zum Beispiel der Meinung, dass die allermeisten Protest-E-Mails von Bots kommen, die von Google gesteuert werden. In der BILD Zeitung geht man sogar soweit, davon zu reden, dass die Demonstranten u.a. von Google gekauft wurden.

Liebe CDU/CSU,
Google hat am allerwenigsten ein Problem mit eurem Gesetz. Für die großen Player auf dem Markt schafft ihr nur ein neues Erlösmodell. Nämlich kleineren Plattformen gegen Geld den Zugriff auf die Uploadfilter-Datenbanken zu erlauben.
Die Internetgiganten werden damit mächtiger, die Vielfalt auf dem Markt schwindet.

Ich hoffe, dass ich rückblickend bald sagen kann, dass ich froh bin, an diesem Tag dabei gewesen zu sein. Und, dass die Verantwortlichen merken, dass ihre Reform zuwider einer vielfältigen, bunten und aufgeklärten globalen Gemeinschaft läuft.

Wer nicht so gerne Schilder malt, kann auch pledgen. Nämlich hier: https://www.pledge2019.eu/de

*kleine Plattformen sollen aus der aktuell diskutierten Regelung ausgenommen sein. Mit gesundem Menschenverstand kommt man allerdings schnell darauf, dass das nicht lange währen wird. Siehe Erlösmodell Datenbankzugriffe für Google & Co.

Nachtrag, 23. März 20:31 Uhr, nachdem die heutigen Proteste Top-Thema in der Tagesschau waren:
Wegen des Leistungsschutzrechtes gibt es viele Komponisten und andere Künstler, die die Urheberrechtsreform als positiven Schritt sehen. Ja, ich glaube auch, dass die Urheber von Werken gewürdigt und entsprechend entlohnt werden sollten.
ABER.
Niemand wird einen Vertrag mit jeder kunstschaffenden Person schließen. Die Profiteure des Leistungsschutzrechtes sind und bleiben die Verwertungsgesellschaften wie GEMA, Verlage, die großen Labels – die idR den Löwenanteil an Lizenzgebühren einbehalten. Liebe Komponisten: Wo seht ihr, dass sich hier mit der Reform etwas für euch verbessern wird?