Wir sind nicht aus Steuergründen verheiratet – und das ist für WISO echt ein Problem

Gesellschaftliches

Anfang 2021 haben wir uns das viel-besungene „Ja-Wort“ gegeben. Die Entscheidung dazu trafen wir eher beim Frühstück, der Zeitpunkt erschien uns einfach passend (Corona und so – also Hochzeit unter uns, ohne Tamtam, ohne gekränkte Egos wegen Nicht-Einladen, ohne Planungsstress etc. pp dda).
Für uns war und ist dabei immer klar: Wir legen nicht, niemals unsere Finanzen vollständig zusammen. Das war vor allem für mich (als die Frau) in der Steuererklärung jetzt ein echtes Problem. Und zwar so doll, dass ich das kurz aufschreiben muss.

Mit diesem Heiraten kommt die ein oder andere lästige Steuerfrage hinzu: Will man auf der gleichen Steuerklasse bleiben (dann beide 4) oder macht man dieses Ehegatten-Splitting (eine*r 3, eine*r 5). Vorteil vom Ehegattensplitting: Die Person, die (sowieso schon) deutlich mehr verdient, meistens der Mann, zahlt anteilig auf das eigene Einkommen weniger Steuern. Nachteil: Die Person, die (eh schon) weniger verdient, zahlt anteilig auf das eigene Einkommen mehr Steuern. Dadurch bleibt am Monatsende beim Ehepaar mehr hängen.

Willkommen im 21. Jahrhundert, ey.

Nur das hat mich schon im letzten Jahr so maßlos aufgeregt, dass ich jederzeit eine feministische Hasstirade auf unser Steuersystem herunterzetern kann. DENN: Diese Vorgehensweise führt oft dazu, dass die geringer verdienende Person – bei heterosexuellen Ehen in den meisten Fällen die Frau – in eine Abhängigkeit getrieben wird, weil die Vergünstigung ja auf den Ehepartner zutrifft und nicht auf das eigene, niedrige Einkommen. Und das geht auch nur dann für beide vielleicht gut, wenn man eine gemeinsame Kontoführung hat, also beide Gehälter auf ein Konto gehen. Das bedingt eben auch maximale Transparenz für die eigenen Ausgaben und Einnahmen.

Fragt mal in Frauenhäusern nach, wie es den Frauen dort mit diesem Konstrukt so geht. Finanzielle Unabhängigkeit für alle Menschen kann nicht wichtig genug sein.

Wir machen das alles nicht. Aleks und ich haben jeweils eigene Gehaltskonten. Das Geld da drauf gehört jedem selbst und wir machen damit meistens, was wir wollen. So sparen wir uns u.a. Naserümpfen, wenn größere Einzelausgaben auf Grund des eigenen Hobbies getätigt werden. Für Miete, Strom, Internet, Lebensmittel, Kühlschrank-fällt-aus haben wir ein Gemeinschaftskonto, auf das wir monatlich beide den gleichen Betrag einzahlen. Das empfinde ich als fair und als gleichberechtigt.

Und jetzt auch noch WISO

Seit Jahren nutzen wir beide WISO, um unsere Steuer elektronisch einzureichen. Bisher war das immer super, denn wir waren ja auch als ledig beim Finanzamt geflagged. So war es klar, dass wir beide für unseren eigenen Scheiß verantwortlich sind.

Seitdem wir geheiratet haben, ist das anders. Klar, geht ja auch vielfach um gegenseitige Sorgfalt und Absicherung. Schon verstanden und natürlich auch für uns ein Thema!

Aleks konnte dennoch wie gewohnt seine Steuererklärung machen: Alle Daten per Abruf automatisch vom Finanzamt ziehen, Ergänzungen machen, optimieren, fertig. Irgendwann halt noch angeben, dass er sich getrennt veranlagen möchte.

Ich wollte das auch so, Gründe siehe oben. Bis an diese Stelle zu kommen, war allerdings schon ein Prozess. In dem Moment, wo ich den automatischen Steuerabruf anwerfe, stellt WISO fest, dass ich ja die Ehefrau bin! Na, und damit ist es ja wohl auch klar, dass ich nicht nur nicht steuerpflichtig bin, sondern auch noch die gemeinsame Veranlagung auf der Tagesordnung steht.

Einzelveranlagung
Nicht der Normalfall: Einzelveranlagung bei Ehepaaren

Die Erstattung ist dann idR höher (weil die Frau ja viel weniger verdient, haha), allerdings geben beide Partner eine gemeinsame Steuererklärung ab, also sich gegenseitig alles preis. Die Erstattung fließt aufs eheliche Konto.
Plot-Twist: Bei Ehepaaren wird nur eine Person als steuerpflichtig bestimmt. Das ist in heterosexuellen Ehen immer der Mann.

Gleichgeschlechtliche Ehen haben damit wahrscheinlich auch viel Spaß. Da gilt beim Finanzamt: Die Person mit dem Nachnamen, der weiter vorn im Alphabet beginnt, ist steuerpflichtig. Wie random kann man sein?!

Fehlermeldung-Ehemann
Fehlermeldung in wiso, wenn ich versuche mich, als Ehefrau, als steuerpflichtige Person einzutragen – auch bei getrennter Veranlagung NICHT MÖGLICH. Außerdem geben wir ja unsere Erklärung gar nicht gemeinsam ab.

Ich will als Ehefrau aber auch steuerpflichtig sein!

So, nun machen wir den ganzen Müll nicht mit und „verpassen“ dadurch wahrscheinlich einiges an Geld, das uns das Finanzamt geben würde. Aus dem Grund haben wir ja nun eben nicht geheiratet und wir haben beide in unseren aktuellen Lebenssituationen das Glück, dass wir nicht auf jeden Euro gucken müssen und wollen. Abgesehen davon habe ich sehr doll keine Lust darauf, diese patriarchale Kacke zu unterstützen (siehe feministische Hasstirade weiter oben).

Will ich nun meine Steuererklärung machen, stellt WISO meine Ehe fest, fragt, ob beide Ehepartner erfasst werden sollen (nein), zieht sich meine Daten und schiebt mich in „Ehepartner“, während das Feld „steuerpflichtige Person“ frei bleibt – und fragt dann nach den Daten meines Ehemannes.

Hier ist die Welt noch in Ordnung: Es wird erstmal abgefragt ob und seit wann man denn nun verheiratet sei.
Abruf-einrichten
Automatische Datenübernahme vom Finanzamt: Prima! Will ich aber nur für mich, nicht für dem Mann. Der macht das nämlich selbst.
Auswahl-Ehepaare
Was ist denn hier passiert? Eben waren wir doch „nur“ Mann und Frau!

Trotz mehrerer Anläufe hat das Steuerprogramm immer wieder versucht, mich in die „vorteilhaftere“ Grundeinstellung hineinzupressen.

Wenn ich dem nachgehe, die Daten meines Ehepartners eingebe und dann am Ende bei „getrennt veranlagen“ ein „Ja“ auswähle, löscht das Programm alle abgerufenen Daten der Ehefrau und ich hätte alles, was bereits beim Amt hinterliegt, händisch eintragen müssen. Juhu!

Ich hab ja extra dieses Programm, damit ich das nicht muss.

Die Lösung war am Ende, dass ich den automatischen Steuerabruf zwar aktiviere, aber die Daten nicht sofort hole. Stattdessen gehe ich erst zu Schritt 2 „persönliche Daten“, trage mich dort als Steuerpflichtige Person ein, setze den Haken (ganz unten) auf „getrennt veranlagen“, speichere das ab und erst dann darf ich die Belege vom Finanzamt ziehen. Puh. So sieht das Programm das eigentlich nicht vor!

Ergänzung: Um das Problem zum x-ten Mal zu reproduzieren und die o.g. Screenshots erstellen zu können, bin ich den Weg noch einmal gegangen. Natürlich hat das Programm jetzt alle Daten sauber geschluckt, ohne mich als Ehefrau zu löschen …
Das Grundproblem besteht weiterhin: In meiner Steuererklärung schleppe ich den nicht-mitveranlagten Ehemann durch die Datenerfassung, als steuerpflichtige Person und ohne irgendwelche Daten von ihm zu hinterlegen. Das ist unübersichtlich und verwirrend. Mein Mann musste schließlich keine Frau durch seine Eintragungen schleppen.

Meine Erkenntnis: Ehepaare gehören zusammen, auch finanziell. Ehepaare machen immer alles gemeinsam, auch ihre Steuererklärung. Ganz klar: Es besteht gar kein usecase, in dem die Frau das allein macht. Aber Bundeskanzlerin kann man werden, immerhin.